Fotos und Gedanken – Teil 10

SCHNECKEN.TEMPO.

Gerade läuft bei mir alles in einen Tempo ab, das man tatsächlich nur als SCHNECKEN.TEMPO. bezeichnen kann. Bruno und ich wir rollen stetig gen Osten, aber jeder Kilometer kostet mich Kraft und jeder Kreisverkehr zieht Energie. Wann immer möglich, halte ich an und mache eine Pause – mal kurz, mal länger. Mal lege ich mich aufs Bett, mal gehe ich ein paar Schritte, mal tanke ich auf: mit Musik, mit Essen oder mit aufmunternden Worten.

Und so sind unsere Tagesetappen zu „Mini-Etappen“ geworden. Auch heute war das so: Nach nur einer Stunde Fahrtzeit sind wir da und ich vertrete mir noch ein bisschen die Füße.

Schon aus einiger Entfernung zieht etwas Gelbes auf der Straße meine Aufmerksamkeit auf sich. Meine Neugier ist geweckt: Natürlich  muss ich näher hin und schauen, was da aufgemalt ist. Als ich sehe, was es ist, muss ich grinsen: eine Schnecke 😃. Ob das ein kleiner Gruß für mich ist? Vielleicht sogar eine Ermutigung, dass mein Tempo gerade genau richtig ist, weil es nur so geht? Ein Hinweis, dass man im langsamen Unterwegssein Details entdeckt, die man sonst übersehen hätte? Auch an manche schöne Orte würde ich gar nicht kommen, wäre ich schneller unterwegs. Und letztendlich ist es doch so: Langsam kommt man auch voran! Und deshalb rollen Bruno und ich morgen – langsam, ganz langsam – weiter 🐌☺️.

ZWISCHEN.RÄUME.

Mehr als dieses Foto, hat dieser Tag irgendwie nicht hergegeben 🤷🏼‍♀️.

Es ist ein heißer, ein drückender Tag und die Fahrt strengt mich heute besonders an. Und so mache ich lange Pause an einem Rastplatz mit eben diesem Tisch. Als ich das Foto mache, denke ich mir noch gar nicht viel dabei – außer vielleicht: „Naja, hast du auf jeden Fall ein Bild für heute 😉.“ Erst am Abend, beim Draufschauen sehe ich die Symbolkraft dahinter. Denn da sind sie, die ZWISCHEN.RÄUME.: die hellen Seiten zwischen den dunklen,

die Lücken, die das Licht und die Farben durchlassen.

Sie erinnern mich daran, dass selbst dunkle Tage helle Momente in sich tragen. Und vielleicht sind es ja manchmal genau diese kleinen Räume dazwischen, die tragen. Sie nicht zu übersehen, damit aus ihnen Neues wachsen kann, ist dann wohl die wirkliche Kunst des Alltags. Ich werde auf jeden Fall vermehrt Ausschau halten nach vielen kleinen weiteren ZWISCHEN.RÄUMEN. 😉

RICHTUNGS.WECHSEL.

Wenn man die Sonne nicht sieht… kann es dann sein, dass man sie die ganze Zeit im Rücken hatte und einfach nur die Richtung wechseln muss?

Auch heute Nachmittag gehe ich wie gewohnt ein paar Schritte, um meine direkte Umgebung zu erkunden. Es hat fast den ganzen Tag geregnet, der Himmel war grau und wolkenverhangen, und auf dem Boden haben sich große Pfützen gebildet. Eine kleine, sichtbar alte Kirche zieht mich an, aber schon beim Näherkommen sehe ich, dass sie wohl verschlossen ist. Zu hoch ist das Gras um das Gebäude. „Schade“, denke ich mir, drehe aber zur Sicherheit noch eine Runde um das alte Gemäuer.

Und dann, auf dem Rückweg, entdecke ich sie: die aufgemalte Sonne. Auf dem Hinweg ist sie mir entgegangen – erst jetzt mit dem Wechsel der Richtung sehe ich sie. Ich glaube, es tut manchmal ganz gut, bewusst die Richtung zu ändern und den Blick zu heben – und sich dann von etwas überraschen zu lassen, das die ganze Zeit schon da war ☀️. Denn manchmal ist es nicht die Sonne, die fehlt – sondern nur der Blick, der sich ändern muss.

TRAG.KRAFT.

Und dann sehe ich es plötzlich doch: das Viadukt von Millau. Es ist das Wahrzeichen der Region und überall entdecke ich Hinweise auf dieses Bauwerk – nur die Brücke selbst blieb bisher hinter Wolken verborgen. Es ist die längste Schrägseilbrücke der Welt und das höchstes Bauwerk in Frankreich – höher noch als der Eiffelturm.

Der Blick über den Tarn auf das Bauwerk, das von sieben imposanten Stützpfeilern getragen wird, ist tatsächlich großartig. Und führt meine Gedanke schnell dahin, was mich trägt. Was sind meine Stützpfeiler? Welche sind stabil, welche benötigen ein bisschen mehr Aufmerksamkeit, müssen vielleicht sogar verstärkt werden?

Meine wichtigsten Stützpfeiler der letzten Tage waren die Menschen. Menschen, denen ich meine Verletztlichkeit zeigen konnte und die für mich da waren, die sich meine Ängste und Sorgen angehört haben und mich ermutigt haben. Getragen haben mich auch die Gebete – die der anderen und meine eigenen. Der Pfeiler, der die letzte Zeit ein wenig instabil war, ist das Vertrauen in meine eigene Stärke, in meine Fähigkeiten. Aber ich erfahre hier auf dieser Reise, dass es keinen Grund dafür gibt. Inspirierend und mutig finden andere mein Unterwegssein und meine Berichte. Ich komme mit meinen Französisch-Kenntnissen irgendwie zurecht und erfahre, dass immer was geht.  Höchste Zeit also, meine Verzagtheit hinter mir zu lassen und mir stattdessen meiner Stärke und meinem Mut bewusst zu sein und unverzagt weiterzureisen ☺️.

DANKE.SCHÖN.

Heute wird das Foto des Tages mal nicht von meinen eigenen Worten begleitet, sondern der Text darauf einfach nur übersetzt. Und ich glaube, damit ist alles gesagt ☺️😘

Danke

für die Geduld, das Engagement und die Freundlichkeit

Für dieses Jahr

Danke, dass ihr an meine Träume glaubt

Für die Aufmerksamkeit, die Strenge und die Sanftheit

Danke, dass ihr mir helft zu wachsen

Danke für die Ermutigung und die Freude

Für die Leidenschaft und die Unterstützung

Danke für die Verbundenheit und das Wohlwollen

Für die gemeinsame Momente

Danke für die geteilten Lachanfälle

Danke, für jeden Tag, an dem ihr mich unterstützt an dem ihr mir aufmerksam zuhört, mir Halt gebt

Danke, dass ihr mich beim Lernen begleitet, meine Neugierde weckt, mich überrascht, mich für die Welt öffnet

Dass ihr da seid und mir zuhört.

Danke für alles. 💛

STADT.BILD.

So ganz bekomme ich diese Stadt nicht zu fassen. Ich habe das Gefühl, sie nur zu streifen, nur zu erahnen, obwohl ich doch mitten hindurchgehe. Heute lasse ich mich treiben, folge verborgenen Wegen durch stille Nebengassen, entdecke verwitterte Geschichte an jeder Ecke. Alles sieht so still und unbewohnt aus. Und gleich daneben das genaue Gegenteil: herausgeputzte Fassaden, bunt bemalte Fenster. Ein Mosaik aus Farben und Formen liegt zu meinen Füßen, scheinbar wahllos gelegt, aber vielleicht steckt mehr dahinter als ich sehen kann? Ein Turm lenkt meinen Blick nach oben und zieht auch meine Gedanken himmelwärts.

Vielleicht ist es genau das, was diese Stadt ausmacht: dass sie sich nicht festhalten lässt – und gerade darin ihre Besonderheit zeigt. Mir war sie auf meinem Weg auf jeden Fall ein leises Geschenk, ein Ort zum Atemholen, an dem Zeit und Menschen mir freundlich begegnet sind und ich für ein paar Tage neue Kräfte sammeln konnte.

SPIEGEL.BILD.

Mir scheint es, als hätte der Tag mit unsichtbaren Fingern Linien gezeichnet. Streifen aus Licht und Schatten, Himmel und Stein, fließend ineinander, als würden sie einander spiegeln. Oben und unten beginnen, ihre Richtung zu verlieren: Was ist Spiegelung, was ist Wirklichkeit?

Manchmal geht es mir ganz genau so: Ich stehe da, und weiß nicht mehr, wo oben und unten ist, was bleibt und was nur ein flüchtiger Schein ist.

Gut, wenn es dann die festen Ankerpunkte gibt. So wie dieser Stein, der aufrecht steht. Mittendrin. Fest, unverrückbar. Ein Anker zwischen Erde und Himmel.

In diesen Moment spüre ich es deutlich: Auch wenn sich die Welt spiegelt und dreht – es gibt Menschen, Augenblicke und Orte, bei denen ich unverwandelt ich selbst sein darf.