
Erinnerungen sind wie Schatten
Mal klein und blass, nur ein flüchtiger Abdruck eines vergangenen Augenblickes.
Mal groß und deutlich, als wollten sie den ganzen jetzigen Moment ausfüllen.
Mal ähneln sie dem Original kaum noch – haben sich verformt und verändert im Laufe der Zeit.
Und dann wieder gibt es Erinnerungen, die so glasklar vor mir stehen, dass ich fast meine, mitten im Moment zu sein.
Manchmal wünsche ich mir, ich könnte meine Erinnerungen aneinanderreihen wie die Glieder einer Kette.
Ein Ring hält den nächsten und manchmal halten die Ringe mich.
Nichts geht verloren, jeder Moment bleibt verbunden mit dem, was war und mit dem, was kommt.
Aber Erinnerungen sind wie Schatten:
Sie lassen sich nicht festhalten.
Erinnerungen leben, atmen, verändern sich und manchmal lösen sie sich auch leise auf.
So wie ich es so oft erlebt habe bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind.
Bei meiner Mama. Bei den Elternteilen von Freunden und Kollegen.
Ich habe gesehen, wie Schatten sich verkürzen,
wie der Versuch, nach Erinnerungen zu greifen, ins Leere geht.
Vielleicht ist genau deshalb mein Wunsch so groß, Erinnerungen zu bewahren und greifbar zu machen:
Mit Fotos, mit Texten und kleinen Gegenständen.
Die Kette zu verlängern, Glied um Glied.
Nicht, um an etwas festzuhalten, dass nicht mehr ist,
sondern um daraus Kraft zu schöpfen.
Zu begreifen, wie all diese Momente meine Gegenwart gestalten.