Camino del Norte

Etappe 3 – Pilgerherberge Zwölf Stämme – San Sebastian – Orio

Ein neuer Morgen, ein neuer Tag, eine neue Etappe.

Wieder konnte ich nicht gut schlafen und bin früh wach – aber vielleicht ist das ja gar nicht schlimm, sondern hat sogar etwas Gutes? Immerhin ist der frühe Morgen ja der Zeitraum des Tages, den ich noch ganz für mich habe und an dem ich am besten und in Ruhe meine Gedanken sortieren kann.

Heute aber sitzt Stefan schon im Gespräch mit Ephraim von den „Zwölf Stämmen“ im Frühstücksraum, so dass ich gar keine Zeit zum Grübeln habe. Auch gut! In der Ecke prasselt ein Kaminfeuer und ein leichter Hauch von Frühstücksduft zieht durch den Raum. Oder ist es der Wunsch, der mich das glauben lässt? Nach dem frisch gebackenen Brot gestern Abend freue ich mich auf jeden Fall sehr auf eine leckere Mahlzeit. Erst aber bekomme ich auf der Couch einen großen Pott voll mit dampfendem Tee serviert und noch eine weitere Pilgerin, die früh wach ist, gesellt sich zu uns: Karin hat nur ein paar Tage Zeit, bevor ihr Freiwilligendienst in einer Pilger-Herberge weitergeht und möchte deshalb früh los, ohne Frühstück, aber mit einem Kaffee.

Beim Frühstück (es gibt selbstgemachte Marmelade 😊) sitzen wir dann gemeinsam mit einer Niederländerin und einem Amerikaner am Tisch. Er ist schon in Rente, lacht viel und braucht morgens mindestens drei Kaffee, um ganz da zu sein – sagt er von sich selbst. Dabei wirkt er doch schon ganz wach und munter. Joke ist etwas ruhiger und sehr freundlich. Beide scheinen sie sportlich zu sein und haben Santiago als großes Ziel. Ich merke, dass es mir schon jetzt ein bisschen auf den Keks geht, immer erklären zu müssen, warum wir nur bis Bilbao gehen. Warum mit Begleitung. Und warum teilweise nur so kurze Etappen. Ist Pilgern denn eine sportliche Leistung? Kommt es tatsächlich auf das Ziel an? Gedanken, die in den kommenden Pilgerherbergen noch deutlich mehr Zündstoff bekommen werden.

Hier und Heute

Für mich aber ist hier und heute der innere Weg so viel wichtiger als der äußere Weg und deshalb bin ich gespannt auf den Impuls des Tages, der uns auch heute Morgen per WhatsApp erreicht:

“Guten Morgen, ☀️ Du klasse Pilger. Cool, dass wir heute gesund sind und einen wunderbaren Tag haben werden. Heute geht es ein Stück weiter auf dem inneren Weg und du wirst dich garantiert mit Unterstützung deiner Mitpilger und mir ein gutes Stück besser kennen lernen.”

Was folgt, ist ein Bild des “Johari-Fensters”, das die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung veranschaulicht. Ein Quadrat wird dafür in vier Bereiche aufgeteilt – ausgehend von der Beantwortung der Fragen “Was ist mir selbst über mich bekannt” und “Was ist anderen über mich bekannt”.

(Schaut gerne in der Bilder-Galerie, wenn ihr es genauer wissen möchtet 🤓)

Auf dem Camino Aragonés bin ich diesem Instrument schon einmal begegnet und durfte feststellen, dass das Bild, das ich von mir selbst habe, nur in Teilen dem entspricht, das sich andere von mir machen.

Eine kleine Ewigkeit

Aber bevor wir uns näher damit beschäftigen, müssen wir erstmal ganz wach werden und unsere grauen Zellen ankurbeln. Mit einer kleinen Yoga-Einheit im Garten unserer Pilgerherberge machen wir uns bereit für die heutige Etappe und die ersten Kilometer.

Die beginnen recht moderat und führen uns kurz nach dem Start auf einen kleinen schmalen Pfad neben dem Camino del Norte. Die Nähe zu San Sebastian ist spürbar: Zahlreiche Picknick-Plätze und Infotafeln deuten darauf hin, dass dieser Weg zu anderen Zeiten deutlich frequentierter ist als heute Morgen. Uns kommen lediglich ein paar Spaziergänger (vorzugsweise mit Hund) und Läufer entgegen. Die Ausblicke durch die Felsen auf das tiefblaue Meer und kurze Zeit später dann auch auf San Sebastian sind großartig. Und auch der Weg selbst ist ein richtig schöner Wanderpfad.

Schon nach drei Kilometern haben wir San Sebastian erreicht und sind wieder dort, wo wir am Ankunftstag schon einmal waren. Was sich seitdem alles verändert hat, kann ich selbst kaum glauben. Ist die Zeit vielleicht doch dehnbar? Zwischen da und jetzt scheint auf jeden Fall eine kleine Ewigkeit zu liegen.

Ein Blick durchs Fenster

“Nach der Brücke rechts und dann die erste wieder links”… So lautete die Wegbeschreibung zum Yellow Deli, einem Café, das von den „Zwölf Stämmen“ betrieben wird und genau das suchen wir jetzt auf. Was dann folgt, können wir am Ende wie im Schlaf runterbeten: tres café con leche, un café americano, un café americano con un poco de leche y cinco jugo de naranja 😄.

Im Café, das durch viele liebevolle Details und Hingucker wie Malereien oder Sprüche besticht, sind wir ganz für uns und so widmen wir uns hier ausführlich dem Johari-Fenster.

Den so genannten öffentlichen Bereich – also das, was uns selbst und was anderen über uns bekannt ist – zu vergrößern und damit den Handlungsspielraum transparenter und weiter zu gestalten, ist Sinn und Zweck dieses Instruments. Dies kann auf zweierlei Art und Weise geschehen:

Indem wir etwas von uns preisgeben (Selbstoffenbarung), schrumpft der geheime Bereich. So verringert sich der Aufwand, den wir betreiben müssen, um etwas geheim zu halten – was wiederum die Freiheit und unseren Handlungsspielraum in der Öffentlichkeit vergrößert.

Indem wir andere bitten, uns ihre Wahrnehmungen mitzuteilen (Feedback), wird der blinder Fleck kleiner und wir können unseren privaten und öffentlichen Handlungsspielraum bewusster wahrnehmen und ausfüllen.

(Ein Blick in die Bildergalerie verdeutlicht das 🤓)

Beginnen wir mal mit der Selbstoffenbarung 😊. Aus einer Liste mit Adjektiven sollen wir die fünf auswählen, die unserer Meinung nach am besten die eigene Persönlichkeit widerspiegeln.

Aufmerksam, ruhig, nachdenklich, suchend, mitfühlend…

… das sind die fünf Adjektive, die ich für mich wähle und als ich sie den anderen vorlese, ernte ich Zustimmung: Ja, das passt. Selbst- und Fremdwahrnehmung stimmen hier überein – mit einer kleinen Einschränkung: “Ruhig, ja. Ich weiß aber, dass du auch anders kannst.”, meint Stefan.

Ich ahne schon, was jetzt kommt: Das Feedback steht noch aus und diesen Part finde ich richtig spannend, fast ein bisschen aufregend. Wieder bekommen wir die Liste mit den Adjektiven gezeigt – nur dieses Mal suchen wir die passenden Beschreibungen für unsere Mitpilger aus. Teilweise kennen wir uns erst so kurz, aber da ist der erste Eindruck, da sind die ersten Gespräche und die geteilten Momente…

Und so sind die Adjektive, die ich für die anderen auswähle, oft an ganz konkrete Situationen, Erzählungen oder Momente geknüpft:

Susanne ist warmherzig und fürsorglich. Immer wieder schaut sie sich beim Gehen um, ob auch alle da sind, und wartet auf Nachzügler. Sie ist ruhig – in dem Sinne, dass sie gut zuhören kann und die Worte mit dem Herzen wahrnimmt. Sie ist verlässlich und aufmerksam, ihren Mitmenschen zugewandt.

Maria ist kühn. Oh ja, denn da steht so einiges auf ihrer Bucket-Liste, das eine gehörige Portion Mut erfordert. Aber all das geht sie an. Sie ist warmherzig und freundlich und zeigt dies mit einem Lächeln, das von Herzen kommt und indem sie sich mit echtem Interesse ihrem Gegenüber zuwendet. Maria ist vertrauenswürdig – schon jetzt habe ich ihr viel von mir erzählt und weiß diese Dinge bei ihr gut aufgehoben. Und sie ist selbstbewusst, im Sinne von sich selbst bewusst.

Martina steckt voller Energie und ist unglaublich anpackend. Sie nimmt das Heft in die Hand und geht auf Menschen und Situationen offen zu. Sie ist aber auch komplex, im Sinne von vielschichtig. Denn ich stelle staunend fest: Je näher ich Martina kennenlerne, desto mehr Seiten entdecke ich an ihr. Dabei ist sie unglaublich großzügig – ihr Essen teilt sie immer mit uns 😊 – und sie ist unabhängig und selbständig.

Stefan ist spontan und geht – angetrieben von Neugierde und Entdeckerlust – gerne auch mal andere Wege. Mit seinem ansteckenden Lachen und Humor schafft er es immer wieder, Situationen aufzulockern und in die Leichtigkeit zu führen. Dabei ist er warmherzig, tiefgründig und selbstbewusst. Und vertrauenswürdig – ich weiß meine geäußerten Gedanken bei ihm in guten Händen.

Das Grinsekind

Als ich an der Reihe bin, zappele ich ein wenig nervös auf meinem Sitz herum: Werde ich Überraschendes zu hören bekommen oder sind es die altbekannten Eigenschaften und Charakterzüge, die meine Weggefährten in mir sehen? Hat sich der erste Eindruck eingebrannt und wie war der überhaupt? Am Flughafen in Düsseldorf war ich noch so in mich gekehrt, zurückhaltend und skeptisch. Habe die anderen das auch so wahrgenommen und habe ich es so vielleicht vermasselt? Ich bin gespannt und ja, eben ein bisschen nervös.

Aber die Sorgen habe ich mir ganz umsonst gemacht. Was folgt, ist ehr wie eine schöne warme Dusche voller Komplimente:
Susanne meint, ich sei verlässlich, hilfsbereit, vertrauenswürdig, organisiert und (Lebens)erfahrend.
Stefan meint, ich sei kompetent. Dies sei in unserer Zusammenarbeit ebenso spürbar wie in meinen Erzählungen von der Arbeit. Schon einmal meinte er mit einem Augenzwinkern, ich sei wohl „das beste Pferd im Stall”. Auch er verwendet das Adjektiv organisiert und ergänzt: „Organisiert, aber ich meine das im liebevollen Sinne – wie in einer alten Bibliothek, in der man sich einfach wohlfühlt.“ Und weiter meint er, wieder mit einem Schmunzeln: “Wie du deinen nicht wirklich großen Rucksack organisierst, in dem alles und noch mehr drin zu sein scheint, fasziniert mich auch mit all meiner Pilger-Erfahrung noch”. Suchend sei ich – ja – aber auch findend: “Du findest immer mehr deinen Weg.”
Martina meint, ich sei geschickt und fähig. Fürsorglich. Und Maria nennt mich herzlich und liebevoll und meint, ich habe mir die Fähigkeit eines Kindes bewahrt, Dinge staunend zu entdecken und mich daran zu freuen. Und dann verschafft sie mir meinen neuen, allerliebsten Spitznamen: Grinsekind 😀😊💛😀😊.

Ich kann nicht anders und verlasse glücklich lächelnd das Café. Gut, dass die anderen mit aufpassen: Meine Wanderstöcke hätte ich dort nämlich sonst vor lauter Grinsen vergessen 😀.

Die Pausen sind das Wichtigste beim Gehen

Bevor wir – gut drei Stunden nach dem Start (was immerhin einen Schnitt von einem Kilometer pro Stunde macht 😉) – weitergehen, decken wir uns im benachbarten Naturkostladen noch mit Brot, Obst und Gemüse ein. Sicher ist sicher!

Und dann laufen wir endlich mal wieder ein bisschen: durch San Sebastian, vorbei am schönen historischen Rathaus und über den Stadtstrand. Der Sand ist fest und gut begehbar und immer wieder wandert mein Blick nach rechts in Richtung Meer. Die Wellen laufen sanft auf den Strand und das türkisblaue Wasser ist unglaublich klar. Über ein paar Treppenstufen geht es nach oben und dann verlassen wir San Sebastian schon wieder und es geht gefühlt nur noch bergauf. Da die folgenden Kilometer auch viel über Asphalt führen, setzen schon bald leichte Ermüdungserscheinungen ein. Wir brauchen eine Pause!

Die genehmigen wir uns mangels Alternativen schließlich auf dem Boden am Wegesrand. Im Schatten der Bäume breiten wir unser Picknick aus und das kann sich sehen lassen: Käse, Chorizo, das Brot und die süßen Plätzchen aus dem Naturkostladen und jede Menge Obst und Gemüse. Als Joke, die sich wohl auch länger in San Sebastian aufgehalten hat, kurze Zeit später zu uns stößt, bekommt sie ob unseres üppigen Mahls ganz große Augen. Ja, wir verstehen es, zu genießen ☺️😄.

Was würdest du tun, wenn…

Gut gestärkt gehen wir weiter. An die folgenden Kilometer habe ich allerdings kaum mehr eine Erinnerung – die müssen irgendwie so an mir vorbeigezogen sein. Erst die Pause auf zwei querliegenden Baumstämmen und an einer Wasserquelle ist mir wieder ganz präsent. Ja, schon wieder eine Pause 😄. Diesmal aber ausnahmsweise nicht, um zu essen, sondern um über ein paar Fragen nachzudenken:

? Was würdest du tun, wenn du 15 Minuten am Tag Zeit für dich hättest?
“Nichts”! Tatsächlich gar nichts, nur dasitzen und die Gedanken kommen und gehen lassen. Dass das nicht einfach ist, weiß ich, weil ich es gewohnt bin, mal eben etwas oder besser noch mehrere Dinge auf einmal zu erledigen. Aber ich weiß auch, dass es guttut. Die Kreativität ankurbelt, die Sinne weckt und neue Kräfte mobilisiert.

? Was würdest du tun, wenn du eine Stunde pro Woche Zeit für dich hättest?
Ich würde etwas Neues lernen. Klavier spielen, Italienisch, Yoga… Da gibt es so vieles, was mich interessiert und was ich gerne lernen oder zumindest mal ausprobieren möchte.

? Was würdest du tun, wenn du einen Tag pro Monat Zeit für dich hättest?
Raus gehen: Wandern und Fotografieren und im Anschluss zur Entspannung in die Badewanne. Was Leckeres kochen.
Oder: Mal einfach alles kommen lassen und ganz spontan sein.

? Was würdest du tun, wenn du eine Woche im Jahr Zeit für dich hättest?
Mit Bruno (meinem Wohnmobil) wegfahren. Neuland entdecken. Oder aber gehen, einfach gehen und noch weiter gehen.

? Was sind deine drei Lieblingsfarben? Findet man diese Farben auch bei dir?
Grün (petrol) – Blau (türkis ) – rot/Orange
Oder eigentlich bunt. Ja, es darf gerne farbenfroh sein. Das Grün findet sich in Katjas Blick.Winkel. wieder. Das Türkis an der Wand in meinem Schlafzimmer und in meiner Couch. Sowohl grün als auch blau/türkis finden sich auch in meinem Kleiderschrank wieder. Rot habe ich als wärmeren Farbton für meine Webseite gewählt. Als Gegenpol zum Grün. Ansonsten ist es ehr die Wärme, die ich damit verbinde und brauche. In meinen Klamotten ist diese Farbe weniger sichtbar.

Ein findender Weg

Auf dem folgenden Wegabschnitt wirken die Fragen noch nach, aber wahrscheinlich sollen sie das auch. Ich weiß, dass die Frage oft gar nicht lautet, ob ich die Zeit habe, sondern ob ich sie mir nehme. Manchmal mache ich das, aber manchmal kann ich die Dinge auch prima vor mir herschieben. Was hindert mich denn dann daran, etwas einfach zu machen und umzusetzen?

Während ich darüber nachdenke, geht es noch einmal bergauf, dann aber kontinuierlich bergab und der Weg bietet mir genug Zeit und Raum, meinen Gedanken nachzuhängen. Auf den Wegweiser ist in gelber Schrift Orio ausgewiesen, unser heutiges Etappenziel. Endlich weiß ich damit auch mal, wo es hin geht 😉. Eine Verpflegungsstation für Pilger lassen wir links liegen – irgendwie ist uns nicht nach Kaffee, Smalltalk und einer erneuten Pause.

Ehr nach tieferen Gesprächen und so fragt mich Stefan, welches Thema dieser Weg für mich hat. Ich muss überlegen, so direkt habe ich keine Antwort parat. Ich empfinde ihn ganz anders als den Camino Aragonés, der noch ein bisschen ursprünglicher war. Auch der Camino del Norte ist schön – aber mir als Weg gar nicht so wichtig. Ist er vielleicht einfach nur das Instrument? Und plötzlich bin ich wieder im Café in Irun und bei der Frage, was ich am Ende mitgenommen haben möchte und bei meiner Antwort. Und dann höre ich mich sagen: Ich hoffe und wünsche mir, dass dies ein findender Weg wird. Ein Weg, auf dem ich mich selbst wiederfinde, meine Kraft, meine Zuversicht, die Leichtigkeit und das Lachen. Ein Weg, auf dem ich vielleicht auch die eine oder andere Eigenschaft wiederfinde, die ich verloren geglaubt hatte. Meinen Platz und meinen Weg. Und Menschen, die zu mir passen und mit denen ich mich austauschen kann.
Heute und mit etwas Abstand denke ich, dass dieser Weg genau das war: ein findender Weg. Ich habe ihn gebraucht und er hat mich gefunden. Dieser Weg hat mir viel gegeben. Ich durfte Menschen kennenlernen, die ich aus meinem Leben nicht mehr wegdenken mag und zum Glück auch nicht wegdenken muss. Und ich habe viel in mir selbst gefunden. Ja, und ich finde es erstaunlich, welche Wandlung ich von der Ankunft in Spanien bis zum letzten Tag in Bilbao vollzogen habe. Wobei mir die Katja, die nach Hause zurückgekommen ist, eindeutig besser gefällt. Aber von all dem habe ich zu diesem Zeitpunkt höchsten eine klitzekleine Ahnung.

Geh nicht schneller als dein Schutzengel fliegen kann

Der nächste Wegweiser in Richtung Orio bringt mich zum Lächeln: Mit ein paar Strichen ist die Stadt skizziert und vorweg auf dem Weg fliegen zwei Schutzengel. Ein schönes Symbol.

Hier an diesem Wegweiser gebe ich mir auch einen Ruck und stelle eine Frage, die mir schon länger auf dem Herzen liegt. Es geht um Freundschaft und die Rollen, die wir im Miteinander einnehmen. Und wieder stelle ich fest: Manches wird leichter, wenn man sich nur ein Herz fasst und es ausspricht.

Teilweise braucht nun der Weg über Steine und Wurzeln meine volle Aufmerksamkeit, dann wieder kann ich mich ganz auf das Gespräch mit Stefan konzentrieren. Es geht um unsere Arbeit, um Erfahrungen und Erlebnisse damit, um meine Freiberuflichkeit, um Social Media und noch vieles mehr… Die Zeit vergeht wie im Flug und mal wieder habe ich den Eindruck, dass das Reden beim Gehen das Tempo erhöht. Oder liegt es daran, dass es bergab geht? Auf jeden Fall kommen wir ratzfatz in Orio an und genießen dort, während wir auf den Rest unseres Trüppchens warten, erst einmal ein kühles baskisches Bier – das mir viel besser schmeckt als das traditionelle cerveza. Aber auch das mag an der Situation liegen. Und so sitzen wir einfach nur da – auf diesem großen Platz, im Schatten der Häuser und beobachten das Spielen der Kinder. Wir lauschen dem Stimmengewirr, von dem ich kein Wort verstehe, das ich aber so gerne höre. Ein zufriedenes Lächeln liegt auf meinem Gesicht: Ich bin froh, genau jetzt, genau hier zu sein!

Als die anderen eintreffen, gönnen auch sie sich ein kühles Getränk und dann gehen wir durch die Stadt zu unserer Unterkunft. Bei einem Blick in einen Hinterhof fallen mir blaugekachelte Wände mit bunten Mosaiken auf. Das würde ich mir gerne genauer anschauen, aber die Dusche ruft und die anderen sind mir schon ein gutes Stück voraus. Also: rápido, rápido!

Am Stadtrand beziehen wir unsere Zimmer und gehen dem üblichen Pilgerritual nach dem Ankommen nach: raus aus den Klamotten, duschen, Wäsche waschen und aufhängen (was sich hier mangels Außenbereichs schwierig gestaltet), rein in die Wechselklamotten, was zu essen finden.

Letzteres ist diesmal einfach, denn wir haben beim Ankommen in Orio in der Bar direkt einen Tisch reserviert. Auf dem Weg zurück in die Stadt habe ich auch die Gelegenheit, die bunten Mosaike genauer in Augenschein zu nehmen: Alle haben sie etwas mit dem Meer oder dem Wasser zu tun. Da wird gerudert, ein Wal ist zu sehen, Fischer und fröhlich badende Kinder. Schön!

Müde bin ich geh zur Ruh, schließe beide Äuglein zu….

Gesättigt und glücklich landen wir wieder in unserer Unterkunft. Das Zimmer teile ich mir inzwischen ganz automatisch mit Maria und bevor wir zur Ruhe kommen, tauschen wir noch das eine oder andere aus und teilen Momente unseres Alltags miteinander. Was bin ich froh, so eine liebe Weggefährtin gefunden zu haben!

Jetzt aber: Augen zu und schlafen. Morgen wartet ein neues Abenteuer!