VERGISS.MEIN.NICHT.
So, da sitze ich nun auf dem Boden vor dem Sofa und die Gedanken tanzen mal wieder durch meinen Kopf. Längst vergessene Erinnerungen sind auf einmal ganz präsent und ich weiß: mein kostbarster Schatz sind meine Erinnerungen 💛. Ich denke so gerne an all die Wege in unbekannten Gegenden zurück und „an Reisenächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen“ (Rilke). An Momente, Begegnungen, Worte, Blicke, Gesten…
Ich weiß, dass ich die Fähigkeit habe, mir Schönes zu bewahren und abrufbar zu machen. Ich weiß, dass Erinnerungen Zeit zum Wachsen brauchen und erst nach und nach ihre volle Kraft entwickeln. Zum Beispiel beim Lesen von Texten, beim Einatmen von Gerüchen, beim Betrachten von Bildern oder von Gegenständen: Der Stein von den Azoren, die Teekanne aus London, der Kerzenständer aus Oslo, das Regal von der Île de Ré, die Decke aus Island…. Erinnerungen und Geschichten, wohin mein Auge schaut 💛.
Ich weiß aber auch, dass dieser Schatz zerbrechlich ist. Das weiß wahrscheinlich jeder, der einen Menschen mit einer Demenz-Erkrankung in seinem Umfeld hat. Plötzlich sind all die Erinnerungen weg: All die gemeinsam erlebten Momente, all das Schöne und all das Kraft gebende. Aber auch so viele Fähigkeiten und Eigenschaften sind weg – verschwunden mit der Krankheit. Zurück bleibt ein Mensch, der kämpft. Der zu überspielen versucht, dass er nicht weiß – wo er doch merkt, dass er wissen sollte und der so gerne wissen möchte. Der nicht mehr der ist, der er einmal war. Und doch der bleibt, der er ist. Es ist ein Abschied auf Raten und der tut weh.
Wie gerne würde ich meiner Mama ihre Erinnerungen zurück geben. Einmal noch mit ihr in Erinnerungen schwelgen: Weißt du noch? Aber da ist nichts mehr. Kein Aufflackern im Blick und kein Leuchten in den Augen. Und dennoch hoffe ich, dass sie irgendwie tief in ihrem Herzen weiß:
Liebe Mama, ich bin dir so unendlich dankbar für alles, was du mir gegeben und ermöglicht hast: Ich hab dich lieb ❤️.
So, immer noch sitze ich auf dem Boden vor dem Sofa, ein paar Tränen sind beim Schreiben geflossen und plötzlich habe ich zwei Zitate im Kopf und weiß, dass sie hier hin müssen. Quasi als Wunsch gegen das Vergessen:
„Bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang.“
(aus dem Buch Mose)
„Vergessen Sie nie, das Leben ist eine Herrlichkeit!“ Rainer Maria Rilke
💛❤️